Lernerfahrungen 2008

Ein berühmter Mann – ich glaube es war Tom Peters – hat einmal gesagt: „Frage dich nach jedem Jahr, was du gelernt hast, denn ein Jahr, ohne etwas gelernt zu haben, ist ein verlorenes Jahr“. Da stellt sich mir die Frage: „Wann ist Lernen eigentlich Lernen?“
Wyatt Woodsmall, einer meiner Lehrer meinte vor kurzem: „Lernen ist nur Lernen, wenn es mit Verhaltensänderung einher geht. Lernen ohne Verhaltensänderung ist kein echtes Lernen.“
Und vielleicht hat er ja damit nicht ganz unrecht. Wenn ich so auf die letzten Monate zurückblicke, gab es da sicherlich eine Menge kleine und grössere Erkenntnisse und „Aha-Erlebnisse“, von denen viele jedoch auf rein intellektuellem Niveau „stecken bleiben“ – mein Verhalten habe ich – trotz besseren Wissens nicht geändert – also „nichts gelernt;-)
All diese „Pseudo-Lernerfahrungen“ kann ich mir also leider nicht als Guthaben verbuchen.

Nachdem ich die letzten Tage etwas nachgedacht habe, … und das war mühevoller, als ich dachte, stiess ich – Gott sei Dank – doch auf wenigstens zwei „echte Lernerfahrungen:

  1. „Du kannst treffen, ohne zu zielen“
    Als ich im Frühjahr begann mich intensiv mit dem sog. „traditionellen Bogenschiessen“ zu beschäftigen, als einer Art des Bogenschiessens, in der man in keinerlei Weise versucht zu zielen, war das schlichtweg paradox für mich. Wie kann man in Gottes Namen einen Pfeil ins Ziel schiessen, ohne zu zielen? Gegenfarge: Wie schaffst du es, mit deinem Finger eine bestimmte Taste deiner Tastatur zu treffen? Wie machst du es, ein zerknülltes Papier in einen 2 m entfernten Papierkorb zu werfen? Und die Golfspieler unter Euch: Wie macht ihr es, einen Golfball in ein 3 m entferntes Loch zu putten? All das funktioniert (meistens), auch ohne Zielen „Kimm und Korn“, oder?
    Nachdem ich es im Herbst dann schaffte, neun von zehn Pfeilen auf eine Distanz von 25 m in ein bierdeckelgrosses Ziel zu befördern, begann ich nachzudenken: Wie mache ich das eigentlich und gilt dies auch für Lebenssituationen außerhalb des Bogenschiessens?

    Ich glaube ja! Wie viele Menschen habe ich in diesem Jahr getroffen, die nachweislich Ziele getroffen (=erreicht) haben, ohne zu zielen, z.B. ein neues Produkt erfolgreich auf dem Markt plaziert- trotz starker Konkurrenz oder einen neuen Mitarbeiter eingestellt, der sich zum absoluten „Shooting Star“ entwickelt hat.
    .. und letztendlich denkt einmal an unser Privatleben: Haben wir den Partner oder die Partnerin unseres Lebens getroffen, weil wir an jenem Abend mit dem klaren Ziel aus dem Haus gegangen sind: Heute möchte ich Mr. oder Mrs. Right kennenlernen? Wohl eher nicht, oder?
    Bitte versteht mich nicht falsch: Dies soll kein Plädoyer gegen traditionelle Ziele sein, doch ich glaube, dass das Zielen „über Kimme und Korn“ seine Grenzen hat bzw. mehr oder weniger klare Umgebungsparameter, in denen es funktioniert. Darüberhinaus gibt es m.E. nach eine Menge Kontexte, in denen eher andere Aspekte zu tragen kommen könnten, wie Intuition oder beim Bogenschiessen eine überragende Hand-Auge-Koordination.
    Ich – auf alle Fälle – weiss nun, wozu ich mir im nächsten Jahr konkrete Ziele und Pläne mache … und wo ich eher auf meine „Hand-Auge-Koordination“ setze;-)

  2. „Geistige Klarheit ist weniger eine Frage der Intelligenz, sondern vielmehr eine Frage des Mutes.“
    … ein Satz, der mich schon seit Jahren begleitet. Nicht selten habe ich es dieses Jahr erlebt, wie grandios Menschen sich bestimmte Dinge (sei es z.B. ein Mitarbeiter oder die eigene finanzielle Lage) schönreden können. Manchmal glaube ich: Je intelligenter Menschen sind, desto cleverer und plausibler können sie sich selbst „ein X für ein U vormachen“. Das mag ja prinzipiell kein Nachteil sein – im NLP nennen wir eine konstruktive Abart davon „Reframing“, doch meist ist der erste Schritt zu einer wirklichen Veränderung die Einsicht darin, wie die Dinge „wirklich“ liegen. Die Gestalt-Therapeuten nennen dies: „Nimm an, was ist!“ Das kann ganz schön unbequem sein, das kann soagr richtig hart sein, weil man sich u.U. eingestehen muss, in der Vergangenheit Fehlentscheidungen getroffen zu haben. Und dazu gehört vor allen Dingen Mut.
    * … der Mut, die Ketten lang gehegter Vorannahmen, „wie die Dinge doch bitte sein mögen“, zu sprengen.
    * … der Mut, aufzuhören, sich Dinge schönzureden, nur weil es bequem ist oder man anderen Menschen nicht weh tun möchte.
    * … der Mut, mehr auf die Weisheit der eigenen Gefühle zu hören und sich einzugestehen, dass nicht alles auf dieser Welt rational erklärbar ist.
    Ich kennen meinen IQ-Quotienten nicht, aber ich bin recht froh darüber, in diesem Jahr den Mut gehabt zu haben, manche Dinge getan zu haben und zu anderen „nein“ gesagt zu haben.

Ich bin schon sehr gespannt, welche Lernerfahrungen 2009 auf mich warte.. und wie ich mir im Dezember 2009 die Frage beantworte:
Was hast du dieses Jahr gelernt, das dein Verhalten wirklich verändert hat?

I h r /Euer

Hans-Jürgen Walter

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