Wenn man durch die Beratungsszene „surft“, stösst man auf eine Vielzahl von Begriffen: Trainer, Coach, Mentor oder Berater.
Und obwohl jeder eine mehr oder weniger klare Vorstellung davon hat, was sich hinter der jeweiligen Bezeichnung verbirgt, herrscht dennoch oftmals Unklarheit – in erster Linie bei den „Ratsuchenden“. Mit diesem Artikel möchte ich etwas Klarheit schaffen, auch wenn er in keiner Weise einen Anspruch auf die Wahrheit erhebt, sondern in erster Linie meine Sichtweise wiederspiegelt.
Wenn man sich der Frage nähert, was denn eigentlich z.B. einen Coach von einem Trainer unterscheidet, sollte man sich bewusst sein, dass dies eine Frage der Bedeutung ist. Die Bedeutung eines Wortes liegt in der Konvention, die Menschen (relativ) übereinstimmend treffen. Da haben es alle geschützten Berufe leichter: Was man unter einem „Ingenieur“ oder einem „Internisten“ versteht, haben Standesvereinigungen festgelegt und achten wachen Auges darauf, dass sich nicht jeder, der weiss, wie man den Blutdruck misst, „Internist“ nennt.
Leider oder Gott sei Dank sieht es bei den oben genannten Berufsbezeichnungen etwas anders aus: Weder Trainer, Coach oder Berater u.ä. sind geschützte Berufsbezeichnungen (… auch wenn dies manche Verbände gerne hätten). Jeder darf diese Berufsbezeichnungen auf seiner Homepage oder Visitenkarte führen. Die Kehrseite dieser Medaille ist, dass viele nicht so recht wissen, was darunter eigentlich zu verstehen ist.
Hier ein Versuch, diverse Berufsbezeichnungen etwas zu differenzieren:
Der Trainer (Training)
Wenn man „Trainer“ hört, denkt man meist an den Trainer im Sport – an die Franz Beckenbauers und Jogi Löws dieser Welt. In der Weiterbildungsszene trainieren diese Menschen ihre Teilnehmer zu Themen wie z.B. Motivation, Verkauf der Rhetorik.
Im Training geht es primär um den Auf- und Ausbau von bestimmten Fähigkeiten. In meinen NLP-Ausbildungen z.B. um die Fähigkeit, Sprache auf eine bestimmte Art und Weise anzuwenden. Hier ist der Trainer der Experte, der spezielles Fachwissen vermittelt. Jede Trainingssituation beinhaltet auch ein Beziehungsgefälle zwischen dem Trainer (dem Know-How-Geber) und seinen Trainees (den Know-How-Nehmern). Ein wichtiger Aspekt im Training ist – nach der Vermittlung von Wissen – das Einüben (Trainieren) des gelernten Stoffs.
Der Teilnehmer-Kreis in einem Training kann von einem Trainee z.B. im „Personal Training“ bis zu 12 oder gar 20 Teilnehmern sein. Wo die Grenze für ein optimales Training liegt, hängt von der jeweiligen Trainings-Methodik und der gewünschten Intensität ab.
Randbemerkung: Ein Mensch, der sein Wissen zum Besten gibt, ohne dass die Zuhörer Gelegenheit haben, es einzuüben und darauf Feedback zu bekommen, würde ich persönlich eher Dozent nennen – die Veranstaltung selbst „Vor-Lesung“ oder „Seminar“.
Der Coach (Coaching)
In meinem Sinne ist der Coach ein Berater und zwar ein Prozess-Berater (im Gegensatz zu einem Fachberater wie z.B. einem Steuerberater oder EDV-Berater). D.h. der Coach liefert keine direkten inhaltlichen Lösungsvorschläge á la „Das sollten Sie so machen…!„, sondern regt seinen Coachee an, eigene Lösungen zu entwickeln. Coaching ist (für mich) ein interaktiver und personenzentrierter Begleitungsprozess. „Interaktiv“ heisst, dass Coach und Coachee gleichermassen gefordert sind, „auf Augenhöhe“ zusammen zu arbeiten. Der Gegenstand des Coachings hängt von der jeweiligen Ausrichtung des Coaches ab. Themen können z.B. sein: Karriere-Coaching. Das Ziel eines guten Coachings ist es immer, auch das Selbstreflektionsvermögen, das Bewusstsein und die Selbstverantwortung des Coachees zu stärken.
Coaching ist die Kunst mit der Gans über den Weihnachtsbraten zu sprechen?!
ein provokativer Coach
Ein Coaching kann – bei einer sehr konkreten Aufgabenstellung – nur eine Sitzung dauern, sich aber durchaus auch über eine längere Zeit ziehen. Ziel eines jeden Coaches sollte jedoch sein, sich möglichst schnell für den jweiligen Coachee „überflüssig“ zu machen.
Unterschiede „Coaching – Training“: Das Ziel eines Coachings ist Hilfe zur Selbsthilfe auf der Grundlage einer Prozessberatung – beim Training geht es um die Vermittlung und Integration von spezifischen Fähigkeiten.
Gemeinsamkeiten „Coaching – Training“: Beide, Coach und Trainer richten sich an „gesunde“ Menschen (im Gegensatz zur Psychotherapie)
Der Mentor (Mentoring)
Mentor gab es wirklich und zwar in der „Odyssee“ von Homer. Er war ein Freund von Odysseus und dieser bat ihn, auf seinen Sohn Telemach aufzupassen, bevor Odysseus zu seinen Irrfahrten aufbrach. Bevor er die Anker lichtete sagte Odyyseus zu Telemach“ „Erzähle ihm alles, was du weisst.“
Zugegeben – kein besonders klares Briefing. Aber dennoch lässt sich daraus recht gut ableiten, was man heute unter einem Mentor verstehen kann. Er kann gegenüber seinem „Schützling“ verschiedene Rollen einnehmen, z.B. als „Lehrer“, in dem er ihn an seinem Wissen und seiner Erfahrung teilhaben lässt oder auch als Netzwerker, indem er seinem Mentee Zugang zu wertvollen Kontakten verschafft.
Die „Mentoring-Programme“, die ich in Unternehmen und Organisationen kennen gelernt habe, beruhen darauf, dass ein (meist) junger Mensch sich einen erfahrenen „alten Hasen“ sucht, der ihm als väterlicher Freund mit Rat (weniger mit Tat) zur Seite steht.
Wenn der Mentee zu den Sternen greift, hält ihm der Mentor die Leiter.
Der Mentor bezieht seine Legitimation also nicht – im Gegensatz zu „Trainer“ oder „Coach“ aus einer speziellen Ausbildung, sondern primär aus seiner Erfahrung in einer spezifischen Organisation.
Nichtsdestotrotz begrüsse ich es sehr, wenn Organisationen ihre Mentoren mit speziellen Programmen den Schritt in ihre neue Rolle erleichtern, denn wie man schon bei Homer nachlesen kann: Weder für Mentor noch für Telemach war dieses antike Mentoring immer lustig.
Persönliche Randbemerkung: Der Mentor arbeitet „klassischerweise“ unentgeltlich und ist (meist) Mitglied derselben Organisation. Kommerzielle Mentoring Programme, wie sie in der letzten Zeit auf dem Markt auftauchen, berühren mich deshalb etwas seltsam.
Der Moderator (Moderation)
Den Moderator/die Moderatorin kennt man in erster Linie aus Funk und TV. Denken Sie an Anne Will oder Sandra Maischberger. Sie lenken und steuern eine Gesprächsrunde, erklären einleitend das Thema, stellen die Teilnehmer vor und den Ablauf der Sendung. Das Wort „Moderation“ leitet sich vom Lateinischen „moderatio/moderare“ ab, was soviel wie „mäßigen, steuern oder lenken“ bedeutet.
Diese Anforderung gibt es natürlich auch in Organisationen, wie jeder weiss, der schon einmal Meetings, Besprechungen oder Tagungen geleitet hat. Doch „Leitung“ ist etwas anderes als „Moderation“.
Ähnlich wie Frau Will oder Frau Maischberger hält sich der Business-Moderator weitgehend aus dem Inhalt heraus – er achtet darauf, neutral oder – vielleicht besser – „allparteilich“ zu sein. Seine primäre Aufgabe ist es, den Prozess der Gesprächsrunde zielgerichtet zu lenken und Ergebnisse zu visualisieren. Dazu steht dem Moderator eine Vielzahl von „Moderations-Techniken“ zur Verfügung.
Ähnlich wie der „Coach“ ist der Moderator also ein „Prozess-Experte“ – allerdings nicht für eine einzelne Person, sondern für den Gesprächs-Prozess einer Runde.
Der Berater (Beratung)
Der Berater ist der Fachmann auf einem speziellen Gebiet und hat dort eine eindeutige und legitimierte Expertise. (Steuerberater, EDV-Berater). Er beschäftigt sich mit rein fachlichen (im Gegensatz zu intra- und interpersonellen) Fragen. Im Gegensatz zum „Training“ geht es in der Beratung nicht um das Erlernen von Fähigkeiten, sondern primär um Wissenzugewinn und dem Aufbau von fachlicher Kompetenz. Im Vergleich zum Coaching arbeitet der Berater inhaltlich.
Tipps für „Rat-Suchende“:
Sollten Sie in der Situation sein, einen Coach, Trainer, Berater o.ä. zu benötigen, empfehle ich Ihnen…
- sich im Vorfeld darüber klar zu werden, was Sie genau brauchen und wollen.
- sich darüber im Klaren zu sein, dass z.B. ein exzellenter Berater nicht automatisch ein hervorragender Coach ist – und umgekehrt.
Tipps für „Rat-Bietende“:
- Liebe Kollegin, lieber Kollege – setzen Sie sich bitte freimütig über meine obigen Versuche der Erklärung hinweg und definieren Sie für sich Ihre Rollen.
- Machen Sie sich klar, welche der o.g. Rollen Sie wie weit ausfüllen können und wollen.
- Werden Sie sich bewusst, über die (teilweise recht) unterschiedlichen Werte, Glaubenssätze und auch Ängste, die Sie mit den jeweiligen Rollen verbinden.
- … und sollten Sie – wie viele von uns – mehrere dieser Rollen spielen, dann ist es vielleicht nicht ganz unnütz, sich auch über klare „Kontextmarkierungen“ bewusst zu sein, wie man die eine von der anderen Rolle für sich und alle Beteiligten sauber trennt.
Ich freue mich auf rege – gerne auch kontroverse – Reaktionen auf diesen Artikel und möchte dazu gerne hier am Schluss Heinz von Foerster zitieren:
„Das ist das Amüsante an den prinzipiell unentscheidbaren Fragen; dass es eben kein Formalismus, keinen Zwang gibt, der mich zwingt, diese Frage in dieser oder jener Form zu beantworten. Mit dieser prinzipiellen Unentscheidbarkeit ist ein Raum der Freiheit geöffnet, in dem du jetzt entscheiden kannst. Das heißt, prinzipiell unentscheidbare Fragen können nur wir entscheiden, indem wir sagen: Ich möchte diese Entscheidung wählen, denn ich habe die Freiheit, hier zu wählen.“
… allerdings ist der Preis dieser Freiheit, der, das wir die Verantwortung über unsere Entscheidung tragen.
Quellen: Wikipedia, Rauen (2003) Coaching und 25 Jahre in einigen der genannten Rollen;-)