NLP in brasilianischen Amtsstuben?!
Es gibt Dinge, die mich interessieren… und eben auch andere. Und… Grammatik gehörte lange Zeit nicht unbedingt zur ersten Kategorie. Doch der Mensch ist wandelbar und dank NLP fallen heute diverse grammatikalische Anektoten, wie die unten stehende, nicht gar so unbeachtet durch meine Relevanzfilter.
Sollten Sie in der Schule Latein gehabt haben, dann können Sie sich vielleicht noch dunkel daran erinnern: An das „Gerundium“ – also „das, was ausgeführt werden muss“. Grammatikalisch ausgedrückt, wird das Gerundium zu eben selbem durch die Substantivierung eines Verbes. Zu gut Deutsch: aus dem Verb „prüfen“ wird „die Prüfung“, aus „entschuldigen“ wird „die Entschuldigung“ usw.
Und sind sind Sie doch einmal ehrlich, so ein Substantiv kommt doch gleich ganz anders daher – irgendwie weitaus imposanter als so ein mickriges Verblein.
Vielleicht ist das ja auch der Grund, warum das Substantivieren (wir NLP¬¥ler nennen es übrigens „Nominalisieren„) schon vor langer Zeit nicht nur Einzug in deutsche Amtsstuben gehalten hat, sondern sich auch im Unternehmens-Deutsch grosser Beliebtheit erfreut – es macht einfach etwas her.
„Kostenzusageübernahmeerklärung, Bereitstellungsantrag, Rechtsbehelfsbelehrung“
Und zudem bietet das mächtige Gerundium noch einen zweiten Vorteil: So ein Verb z.B. „prüfen“ braucht jedesmal jemanden (ich, du, er, sie, es, wir, ihr), der es tut. Tja, und dieser jemand fällt bei der Nominalisierung gnädig unter der grammatikalischen Tisch.
„Die Entscheidung über die Prüfung des Angebotes steht noch aus.“
… und wer prüft hier bitte – und vor allen Dingen bis wann?
Sie sehen: Nominalisieren eignet sich ganz hervorragend dazu, Ross inklusive Reiter dezent zu verschleiern und mit ihnen auch die Verantwortung. (Nun ja und wer sich an das manchmal doch recht aufwendige Nominalisieren nicht ganz so herantraut, der bleibt halt beim Verb und nimmt „man“ als Personalpronomen – das tut¬¥s für den Anfang ja auch.)
Aber zurück zum Schleiher der Verantwortung. Im NLP haben wir zwei recht feine Instrumente, die uns einerseits schulen, selbst Nominalisierungen mit mehr Sinn und Verstand einzusetzen (Milton-Modell) und andererseits Sätze unserer Gesprächspartner, die Nominalisierungen enthalten, wertschätzend und dezent zu hinterfragen (Meta-Modell der Sprache)- eine mehr als nützliche Technik, um Menschen wieder in die Verantwortung zu nehmen, die zu ihnen gehört.
Und was bleibt da heute bei der morgendlichen Zeitungslektüre in meinem NLP-geschulten Relevanzfilter hängen:
Der Gouverneur von Brasilia (Brasilien) hat nun kurzerhand die Verwendung des Gerundiums in den Amtsstuben seines Distrikts verboten. Da soll keiner mehr auf die Idee kommen, sich mit Formulierungen wie „Der Antrag auf ihr Bausgesuch ist in Prüfung“ aus der Verantwortung zu stehlen.
Der Herr Gouverneur will definitiv wissen, wer das Baugesuch bis wann und wie genau prüft und zwar pronto. Na, ob er da wohl das Kinde mit dem Bade ausschüttet … (Sie können ja mal spaßeshalber versuchen, ein Gerundium wie „Kostenzusageübernahmeerklärung“ zu ent-nominalisieren.)