Wie Sie zum Regisseur Ihrer inneren Filme werden
In unserem Gehirn ist immer etwas los. Immer ist irgendeine seiner vielen Funktionen in Aktion, rund um die Uhr. Ob bewußt oder unbewußt, Ihr Gehirn ist immer produktiv. So produktiv, daß es nur eines nicht kann – sich abschalten.
Die Folge: Wenn Sie ihm nichts zu tun geben, dann sucht es sich halt etwas, mit dem es sich beschäftigen kann. Es kramt in alten Erinnerungen oder spielt Ihnen eine Vorabversion des Verkaufsmeetings vor, daß in zwei Stunden beginnt.
Auf der Leinwand Ihres Gehirnkinos gibt es keine Spielpause.
Das kann manchmal ganz schön lästig sein. Zum Beispiel scheint es unserem Gehirn nicht zu genügen, wenn wir einmal einen richtig schlechten Tag hatten: Nein – es scheint sich einen Spaß daraus zu machen, uns den Feierabend damit zu vergällen, lebhafte Wiederaufführungen dieses Tages vorzuspielen. Als wolle es sagen: „So, du hattest also einen schlechten Tag. Wollen wir doch einmal sehen, ob ich dir damit noch den Feierabend ruinieren kann.“ Mal ehrlich, denken Sie nicht hin und wieder an wirklich unangenehme Situationen, die schon Wochen oder Monate zurückliegen? Es ist, als wolle das Gehirn sagen: „Du, wir haben noch 15 Minuten bis zum nächsten Termin. Wie wäre es denn, an etwas wirklich Deprimierendes zu denken?“
Nach dem Motto: „Mal sehen, ob du dich nach fünf Wochen immer noch darüber ärgern kannst?“
Hatten Sie jemals Probleme, sich an solch eine unangenehme Situation zu erinnern? Sie haben ein tolles Gedächtnis, die meisten Menschen benutzen es nur ziemlich unkontrolliert. Haben Sie schon einmal über zukünftige Dinge nachgegrübelt, und fühlten sich dabei schon im Voraus mies? Das macht ja auch wirklich Sinn. Warum sollte man darauf warten, wenn man sich gleich jetzt schlecht fühlen kann, oder?!
Und dann kam es, wie so oft, gar nicht so schlimm, wie man gedacht hatte. Aber auf das schlechte Gefühl im Bauch mußte man Gott sei Dank nicht verzichten.
Dieses Prinzip funktioniert natürlich auch umgekehrt – nämlich mit positiven Gedanken.
Hatten Sie schon einmal ein Buch gelesen, sind dann in den Film zum Buch gegangen und sich gesagt: Das habe ich mir ganz anders vorgestellt! Da frage ich mich, weshalb die Leute überhaupt ins Kino gehen, wenn derart gute Filme bereits in ihren Köpfen ablaufen. Warum geht man freiwillig in einen stickigen Raum mit unbequemen Sitzen, um dann zu behaupten: Da kann ich mir im Kopf selbst ohne Drehbuch etwas viel Besseres ausdenken!
Das alles passiert, wenn Sie Ihren Gehirn freien Lauf lassen. Es unterhält sie mit allerhand Unsinn aus Ihrer Vergangenheit und scheint sich kindisch darüber zu freuen, wenn es Ihnen kurz vor dem Einschlafen noch eine Horrorvision des nächsten Tages zeigen kann.
Wer ist eigentlich Regisseur Ihrer Gedanken? Wer bestimmt, welcher Film auf der Leinwand Ihres Gehirnkinos gespielt werden soll? Viele Menschen leben in den unbewußten Glauben, daß all diese Dinge quasi vollautomatisch passieren, ohne daß sie Einfluß darauf hätten.
Oder wie es ein recht bekannter Amerikaner namens Richard Bandler einmal ausdrückte:
Die meisten Menschen sind Gefangene ihres eigenen Gehirns. Sie verhalten sich so, als ob sie auf dem hintersten Sitz eines Busses angekettet wären, den irgend jemand anderes steuert.
Aber ich darf Ihnen versichern: Es macht das Leben lebenswerter, wenn man damit beginnt, diesen Bus selbst zu steuern. Das einzige Problem, das wir haben, ist, daß wir bei unserer Geburt leider keine detaillierte Gebrauchsanweisung für unser Gehirn mitgeliefert bekamen. Dennoch existiert dieses brain user manual, hat längst die Elfenbeintürme der Wissenschaft verlassen und steht jedem von uns zur Verfügung.
So einfallsreich und vielfältig die Vorgänge in unserem Nervensystem auch sind, sie folgen bestimmten Ablaufmustern. Wenn Sie diese Ablaufmuster bei sich genau beobachten, können Sie die Strategien Ihres Kraftprotzes Gehirn entschlüsseln und – ändern.
Leiden Sie hin und wieder unter dem Problem, daß Sie Dinge und Aufgaben sehr erfolgreich vor sich herschieben? Falls Sie (bzw. Ihr Gehirn) wirklich gut darin sind, wie wäre es denn, wenn Sie diese Gabe dazu nutzen würden, das Gefühl des Gekränktseins vor sich herzuschieben? Nach dem Motto: Oh ich weiß, eigentlich müßte ich jetzt mit meiner Partnerin beleidigt sein, aber das mach ich einfach später. Oder möchten Sie zufällig ein paar Kilogramm abnehmen? Ist Ihnen dabei schon einmal die Idee gekommen, Ihr Aufschiebe-Talent dazu zu benutzen, Ihre Lust auf Schokolade und Schweinebraten für immer aufzuschieben. Sie kämen dann einfach nicht mehr so recht dazu.
Falls Sie bei meinem Beispielen Lust darauf bekommen haben sollten, den Autopilot Ihres Nervensystems einmal zeitweise auszuschalten, um in Zukunft mehr Einfluß auf das Programm Ihres Gehirnkinos zu nehmen, möchte ich Ihnen hier einige ganz Tips aus dem Handbuch für erfolgreiche Gehirnbenutzer verraten:
Rein in den Hormontopf!
Wie reagieren die meisten Menschen auf Kritik? Meiner Erfahrung nach sehr heftig. In dem Moment, in dem die ersten kritischen Worte fallen, scheint irgend etwas in ihnen auf Autopilot umzuschalten. Sie bekommen vollautomatisch einen Tunnelblick, ihnen wird ganz heiß und ihr ganzes Denken kreist nur noch um eine Frage: Wie kann ich mich rechtfertigen oder verteidigen? Diese Reaktion ist an sich logisch und seit Jahrtausenden bewährt. In dem Moment, in dem sich ein Mensch angegriffen glaubt, wird sein Selbsterhaltungsprogramm hochgefahren. Ein äußerer Reiz (in diesem Fall: kritische Worte) trifft auf die Unlustareale in unserem Gehirn. Diese veranlassen eine Kettenreaktion in unserem Körper: Kampfhormone (z.B.: Adrenalin) überschwemmen unseren Körper. Die Folge ist u.a. : Der Blutdruck steigt, alles Blut wird in die Muskeln gepumpt und das intelligente Denkhirn wird teilweise blockiert, da rationales und analytisches Denken in gefahrvollen Situationen meist etwas zu langsam geht. Diese Reaktion, auch als Streßreaktion bekannt, macht viel Sinn, wenn unser Leben in Gefahr ist, z.B. wenn ein vorausfahrender Lkw Ihnen plötzlich ein Teil seiner Ladung vor die Nase kippt.
Aber was um Gottes willen nützt mir ein hoher Blutdruck, wenn ich Kritik einstecken muß. Im Gegenteil: Hier sollte ich nicht im Kampfhormontopf sitzen, sondern mein Denkhirn benutzen können, um sachlich auf die Kritik reagieren zu können, was gerade in dieser Situation blockiert scheint. Wenn dann einige Minuten nach dieser Unlust-Situation der Kampfhormonlevel wieder langsam sinkt und unser intelligentes Denkhirn seine Arbeit wieder aufnimmt, faßt man sich oftmals an dasselbe und ärgert sich über die eigene – meist etwas – überzogene Reaktion.
Merke:
Immer dann wenn sich ein Mensch angegriffen fühlt (verbal oder tätlich), wird per rotem Panikknopf automatisch sein Selbsterhaltungsprogramm aktiviert, das nur zwei Alternativen kennt:
Zuhauen oder abhauen – Rechtfertigen oder verteidigen. Vernünftiges und einsichtiges Denken auf der Sachebenen ist meist unmöglich, ganz gleich ob die Kritik gerechtfertigt oder ungerechtfertigt war.
Eine heftige Kritik wird also meist nicht als Rückmeldung auf eine gewisse Soll/Ist-Differenz erlebt, sondern als Angriff auf die eigene Person. Und schwupp ist sie da, die Panikreaktion. Hochroter Kopf und Flucht/Angriffsverhalten. Später – wenn der Chef oder Kunde wieder weg ist – kommt dann (meist) die weise Einsicht, daß er oder sie vielleicht gar nicht so unrecht hatte, auch wenn der Tonfall und die Wortwahl etwas daneben lagen.
Raus aus dem Hormontopf!
Was macht es uns so schwer, in solchen Situationen sachlich zu bleiben und einen kühlen Verstand zu bewahren? Es ist das miese Gefühl im Bauch, das einem langsam die Kehle zuschnürt. Wenn man sich angegriffen fühlt, ist es einfach schwer, sachlich zu bleiben. Also sollten Sie lernen, Herr oder Frau über dieses schlechte Gefühl zu werden. Das geht ganz einfach, wenn Sie wissen, wie Ihr Gehirn Gefühle macht.
Stellen Sie sich einmal in Gedanken vor, Sie wären auf einem Jahrmarkt mit einer Menge Schausteller, Buden und einer riesigen Achterbahn. Sie sitzen auf einer Parkbank und keine 20 Meter vor Ihnen ist diese Achterbahn. Sie sehen, wie die Wagen auf der Bahn hinauf- und hinunterflitzen. Und in einem dieser Wagen erkennen Sie jemanden, der genauso aussieht, wie Sie. Und jetzt – verändern Sie einmal die Perspektive: Jetzt sitzen Sie in einem Wagen, spüren, wie Sie den verchromten Haltegriff vor sich umklammern, schauen aus große Höhe hinunter auf all den Trubel und fühlen, wie der Wagen langsam kettenrasselnd über den höchsten Punkt gezogen wird, um dann mit Ihnen die Bahn hinuntersaust.
Haben Sie den Unterschied zwischen den beiden Perspektiven gemerkt? Wann hatten Sie intensivere Gefühl? Ich nehme wohl an, während der zweiten Erlebnisperspektive, oder?! (Hartgesottenen Lesern empfehle ich das Gleiche einmal mit Bungee-Jumping zu probieren.)
Die Psychologie nennt diese beiden unterschiedlichen Erlebnisarten DISSOZIERT, wenn Sie sich von außen, wie auf einer Leinwand betrachten und ASSOZIIERT, wenn Sie im Film drin waren und das Ganze am eigenen Leibe nacherleben. Der Unterschied ist meist der, daß wir im assoziierten Zustand weitaus intensivere Gefühle erleben, als im dissoziierten Zustand.
Nun nehmen viele Menschen an, sie hätten keinen Einfluß auf Ihr inneres Erleben, sie würden es halt so oder so erleben. Im Extremfall führt dies dazu, daß es Menschen gibt, die grundsätzlich alles, was Sie erleben, sei es positiv oder negativ – dissoziiert erleben. Wenn Sie diese Menschen dann um einem kurzen Bericht Ihres letzten Urlaubs bitten, hat der meist den Charme einer Computerausdrucks. Dies ist oftmals der Wissenschaftler und Ingenieurtyp, der als unvoreingenommen, objektiv und distanziert gilt.
Auf der anderen Seite gibt es eben Menschen, die Ihre Erlebniswelt chronisch assoziiert organisieren. Stellen Sie sich einen Arzt im Rettungsdienst vor, der sich mit jedem Unfallopfer voll assoziiert. Wie lange wird dieser Arzt wohl seinen Job machen können, ohne depressiv zu werden.
Keine der beiden Perspektiven ist besser als die andere. Es kommt eben auf den Kontext an. Wäre es nicht nützlich, falls wir unser Gehirn so steuern könnten, daß es sich automatisch mit schönen Erlebnissen assozziert und uns damit in den Genuß all der positiven Gefühle bringt, die damit verbunden sind? Und wäre es nicht ebenso nützlich, wenn wir es fertigbrächten, uns in unangenehmen Situationen zu dissoziieren, dann zwar alle Informationen zur Verfügung hätten, jedoch von dem lähmenden Gefühl verschont blieben?
Für ein hartes und kritisches Feedback an uns würde das bedeuten, daß wir die ganze Situation, uns und unseren Kritiker von außen sehen, wie aus einer Beobachter-Perspektive. Wir haben dann zwar alle optischen und verbalen Informationen zur Verfügung, um mit der Situation sachlich, rational und souverän umzugehen, müssen jedoch nicht mit den blockierenden Gefühlen kämpfen, die wir dann haben, wenn wir assoziiert im Hormontopf sitzen.
Um diese nützliche Strategie Ihrem Gehirn beizubringen, erinnern Sie sich an einige Situationen (vergangen oder zukünftig), die Ihnen unangenehme Gefühle bereiten. Stellen Sie sich vor, Sie säßen im Kino und würden diese Situationen als Film auf der Kinoleinwand sehen.
Wichtig ist, daß Sie schön auf Ihrem Kinosessel sitzen bleiben und nicht in den Film hinein rutschen! Oder Sie stellen sich vor, Sie würden als Kameramann dieses Ereignis filmen.
Dann spielen Sie einige sehr schöne Ereignisse aus Ihrer Vergangenheit oder Ihrer Zukunft durch. Nehmen Sie sich Zeit, jede einzelne Situation assoziiert zu erleben. Schlüpfen Sie in das Bild oder den Film hinein, so daß Sie das Geschehen aus Ihren eigenen Augen heraus sehen.
Ich garantiere Ihnen: Wenn Sie das ein paar Mal gemacht haben, wird Ihr Gehirn das Prinzip verstanden haben und dasselbe mit all Ihren zukünftigen Erfahrungen machen.
Viel Spaß dabei.