Einfluss versus Manipulation – Wie man Menschen positiv beeinflusst
„Manipulieren – aber richtig“.
So hiess es provokant Ende der 1990er Jahre auf dem damaligen Bestseller von Josef Kirschner, der übrigens immer noch auf Amazon erhältlich ist. Auch heute noch ruft kaum ein Wort so schnell so kontroverse Diskussionen auf den Plan wie „Manipulation„. Und gerade deshalb schreibe ich diesen Artikel, mit dem Versuch ein wenig Licht in dieses Phänomen zu bringen.
Denn: Wir kommunizieren ja nicht nur, um zu informieren, sondern (meist) auch, um andere Menschen dazu zu bewegen, etwas zu tun. Wie tut man dies möglichst wirksam? Wann ist diese Einflussnahme manipulativ und wann nicht?
Es soll also um das Thema gehen: „Die Beeinflussung von Menschen mittels Kommunikation.“
Mittels Kommunikation deshalb, da es darüber hinaus natürlich noch eine ganze Reihe anderer – nicht-kommunikativer Möglichkeiten gibt, Menschen dazu zu bringen, etwas Bestimmtes zu tun, z.B. jemanden mit einem Hammer auf den Finger zu schlagen, damit er schreit oder ihn zu kitzeln, um ihn zum Lachen zu bringen. Aber lassen Sie uns bei den kommunikativen Möglichkeiten der Beeinflussung bleiben.
Falls Sie lieber hören, als lesen – hier ein ähnlicher Beitrag als Podcast:
Was hat dieses Thema an sich, dass so viele Menschen ein recht gespaltenes Verhältnis dazu haben?
Jeder von uns spürt, dass wir nicht umhin können, jeden Tag viele Menschen dazu zu bewegen, bestimmte Dinge zu tun. Wenn ich so darüber nachdenke, dann habe ich heute schon eine Vielzahl von Menschen beeinflusst, d.h dazu bewegt, etwas Bestimmtes zu tun:
- Meine mittlere Tochter, den Frühstückstisch abzuräumen.
- Meinen Sohn dazu, auf Grund des Wetters, eine Jacke mit in die Schule zu nehmen.
- Einen Interessenten dazu bewegt, sich für meinen NLP-Practitioner-Kurs im Frühjahr anzumelden und eben gerade….
- … die Verkäuferin beim Edeka-Markt dazu gebracht, mir ein Fleischkäse-Brötchen zu machen. Wobei letztere Intervention nicht so funktioniert hat, wie ich mir das vorgestellt habe, denn der Fleischkäse war dicker als das umliegende Brötchen, was nicht ganz so mein Fall ist.
E-i-g-e-n-t-l-i-c-h ist „andere Menschen beeinflussen“ unser täglich Brot.
Ja, ich mag fast sogar im besten Sinne von Paul Watzlawick behaupten:
Man kann nicht nicht beeinflussen!… denn allein dadurch, dass Sie nun meine Worte lesen, könnte es sein, dass Sie auf Gedanken und Ideen kommen, die Sie vielleicht ohne meinen Artikel nicht gehabt hätten?!
Einerseits ist also die Beeinflussung von Menschen, oder um das Kind beim Namen zu nennen „Das Einwirken auf das Denken, Fühlen oder Verhalten anderer Menschen“ etwas sehr Alltägliches – und zwar nicht nur für „Profis“, wie Werber, Politiker oder Diplomaten, sondern für jeden von uns.
Und nicht nur das: Die meisten von uns investieren sogar eine Menge Geld und Zeit, um zu lernen, wie man Menschen besser beeinflusst. Manager besuchen Führungskräfteseminare, Lehrer beschäftigen sich mit Methoden der Gruppendynamik, Redner trainieren ihre rhetorischen und dialektischen Fertigkeiten und Eltern wälzen Bücher darüber, wie sie ihren pubertierenden Nachwuchs wieder auf die Spur bekommen.
Aber ist das wirklich legitim?
Und doch stellen Menschen sich selbst und … auch mir die Frage: Ist das wirklich legitim und rechtens? Meist liegt der Grund dieser Frage darin, dass wir uns noch nicht völlig klar darüber geworden sind, was Einfluss, Macht oder gar negative Manipulation bedeutet.
- Was ist der Unterschied zwischen Macht und Einfluss?
- Wann wird Einfluss manipulativ?
Milton H.Erickson, ein Grossmeister der Kommunikation und Begründer der modernen Hypnotherapie hat dazu einmal folgendes gesagt:
„Man hat mir vorgeworfen, Menschen zu manipulieren, worauf ich antworte: Jede Mutter manipuliert ihr Baby, wenn sie möchte dass es überlebt. Und jedes Mal, wenn du einkaufen gehst, manipulierst du den Angestellten, deinen Anweisungen zu folgen. Und wenn du ins Restaurant gehst, manipulierst du den Kellner. Und der Lehrer in der Schule manipulierte dich, damit du lesen und schreiben lerntest. Das Leben ist eine einzige große Manipulation.“ (aus Lehrgeschichten, S. 223)
Damit schüttet Erickson Öl ins Feuer meiner obigen These: „Jeder Mensch beeinflusst sich selbst und andere Menschen – ob er will oder nicht.“
Die Frage ist doch vielmehr, mit welcher Intention er das tut – zum Guten oder Schlechten des anderen?
Das wiederum könnte den Vorwurf gegenüber NLP-Techniken im Keim ersticken, sie seien „manipulativ“. Denn es liegt nicht im Wesen einer Methode, einer Technik, manipulieren zu können. Erst durch ihre Anwendung durch Menschen bekommt sie ihre Wirkung.
Was veranlasst nun Menschen, sich Gedanken zu über Einfluss und Manipulation zu machen?
Hier fallen mir spontan folgende Gründe ein:
- Die Angst, selbst von anderen unbemerkt zum eigenen Nachteil beeinflusst zu werden.
Dieses Argument kann ich gut nachvollziehen, denn wer will schon gerne manipuliert werden.
Oder vielleicht doch?
Wenn sich meine Frau sehr geschickt Mühe gibt, mich dazu zu manipulieren, mit ihr ins Kino zu gehen … bin ich nicht zwangsläufig traurig darüber, sondern ihr sogar dankbar für den tollen Abend.
Aber … Spaß beiseite: Natürlich mag auch ich es nicht besonders, von einem geschickten Manipulator an der Haustüre so beeinflusst zu werden, dass ich plötzlich mit einer einer 5-Jahres-Mitgliedschaft im „Club zur Erhaltung der nordbadischen Heckenrose“ da stehe.
So paradox es klingt: Der beste Schutz gegen derartige Manipulationen ist zu wissen, wie man Menschen manipuliert. Spätestens seit der Lektüre von Robert Cialdinis Buch „Die Kunst des Überzeugens“ muss ich jedes Mal grinsen, wenn ein cleverer Verkäufer versucht, mir geschickt etwas aufzuschwatzen, was ich gar nicht haben will. - Die Angst, Einfluss auf andere Menschen auszuüben und dafür die Verantwortung zu tragen.
Puhh, das scheint etwas schwerer zu wiegen. Dazu zwei Beispiele: Nehmen wir einmal an, ich beeinflusse meinen 10-jährigen Sohn dazu, auf eine bestimmte Schule zu gehen (… was übrigens vor einiger Zeit geschehen ist) und in 20 Jahren kommt er dann zu mir und beklagt sich bitterlich darüber, dass ich ihm mit dieser Entscheidung das Leben versaut hätte.
Da werde wohl oder übel ich die Verantwortung tragen müssen, wie ich das übrigens zusammen mit meiner Frau für jede Einflussnahme auf unsere drei Kinder tue – solange sie noch nicht volljährig sind.
Ein zweites Beispiel: Nach einem Coaching mit mir trifft ein Coachee die Entscheidung, seinen überaus gut bezahlten Job zu kündigen und sich mit einem Fahrradladen selbstständig zu machen, worauf ihm seine Frau die Freundschaft kündigt und … auszieht.
Wer trägt nun die Verantwortung für was? Ich fühle mich als Coach sehr wohl in der Verantwortung, bei einem Entscheidungs-Coaching alle denkbaren Szenarien mit meinem Coach durchzuspielen und ihn auf mögliche Konsequenzen seiner Entscheidung hinzuweisen. Und … da ich niemals Entscheidungen für meine Coachees treffen kann, das können diese nur selbst – fühle ich mich in diesem fiktiven Fall eben nicht verantwortlich für die Trennung von seiner Frau.
Grundsätzlich bin ich jedoch davon überzeugt, dass mit wachsender Einflussnahme auf die Welt automatisch auch der Grad der Verantwortung steigt – aber die … hat man wohl auch, wenn man seine Einflussmöglichkeiten nicht nutzt, oder?
Über diese beiden Grundängste hinaus mögen die ambivalenten Gefühle zum Thema „Beinflussung von Menschen“ auch daher rühren, dass man für sich noch nicht klar definiert hat, wo und wann (positive) Einflussnahme aufhört und (böse, negative) Manipulation anfängt.
Dazu vielleicht noch ein Modell, das ich aus einem Seminar mit Prof. Dr. Wolfgang Linker habe:
Die Kreise der Beeinflussung
Stellen Sie sich dazu einfach einige Kreise vor. Wir beginnen mit dem innersten Kreis und Sie fragen sich bitte selbst, wann d.h. bei welchem Kreis für Sie negative Manipulation beginnt.
- Kreis: Manipulation ist….
…wenn ich im weitesten Sinne bei anderen Menschen eine Veränderung bewirke.
Falls das bereits für Sie manipulativ wäre, dann müssten Sie ab sofort jeder Begegnung mit anderen Menschen aus dem Weg gehen, denn allein Ihre Anwesenheit könnte Gedanken und Gefühle bei den Menschen um Sie herum hervorrufen, die diese wahrscheinlich nicht hätten, wenn Sie nicht anwesend wären. - Kreis: Manipulation ist…
… wenn ich diese Veränderung zielbewusst beabsichtige.
Falls hier für Sie Manipulation beginnen würde, dürften Sie keine Witze mehr erzählen, denn damit beabsichtigen Sie ja wohl eine ganz bewusste Zustandveränderung in Richtung Lachen. Auch Bitten an andere Menschen wären dann bereits manipulativ, denn auch damit hat man ja eine bewusste Veränderung der derzeitigen Gefühle, Gedanken oder Verhalten eines anderen Menschen im Sinn. - Kreis: Manipulation ist…
… wenn ich bei anderen Menschen zielbewusst und absichtlich eine Veränderung bewirke, die zu meinem Vorteil ist.
Na, das ist die Bitte, mich in der Schlange an der Supermarktkasse nach vorne zu lassen, weil ich es eilig habe, ja auch, oder?
Und andererseits ist nicht alles, was zu meinem Vorteil ist, auch vollautomatisch zu Nachteil eines anderen Menschen?! - Kreis: Manipulation ist…
… wenn ich zielbewusst eine Veränderung zu meinem Vorteil bewirke und der andere stimmt nur deshalb zu, weil ich ihm vorsätzlich einige Konsequenzen dazu vorenthalte.
Ahhhh, beginnt vielleicht hier das negative Manipulieren? Also dann, wenn ich den anderen dazu bringe, etwas zu tun, was der gar nicht tun würde, wenn er wüsste, was ihm bevorsteht?Vielleicht – vielleicht aber auch – noch nicht?
Denn wenn ich z.B. meinem Junior (14 Jahre alt) erzählt hätte, welche möglichen Konsequenzen ein regelmässiger Besuch seines Jiu-Jitsu -Trainings für ihn haben könnten, z.B. sich Überwinden, auch wenn man Null Bock aufs Training hat oder diverse Prellungen und blutige Nasen… dann hätte er wahrscheinlich damals vor 5 Jahren gesagt: „Papa, lass mal gut sein, das ist nix für mich.“
Wie viele Eltern, Lehrer oder Trainer lassen ihre Kinder, Schüler oder Teilnehmer bewusst in Unkenntnis, um z.B. den Lernerfolg zu steigern oder um schlichtweg eine Überforderung zu vermeiden? - und letzter Kreis: Manipulation ist..
wenn ich bewusst und absichtlich eine Veränderung zu meinem Vorteil bewirke, den anderen absichtlich in Unkenntnis über alle Konsequenzen lasse … weil dies mir zum Nachteil gereichen würde.
Sorry, hierzu ist mir wirklich kein positives Beispiel mehr eingefallen, was nichts anderes heisst: Spätestens hier beginnt auch für mich der Bereich der negativen manipulativen Einflussnahme.
Und falls ich mit diesem Artikel mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet habe, dann habe ich mein Ziel erreicht. Denn meiner Ansicht nach steht nirgends die entgültige Wahrheit darüber, wo positive Beeinflussung von Menschen aufhört und negative Manipulation beginnt.
Dies zu entscheiden bleibt jedem Einzelnen selbst überlassen, ganz im Sinne von Heinz von Foerster, der einmal schrieb:
„Das ist das Amüsante an den prinzipiell unentscheidbaren Fragen; dass es eben keinen Formalismus, keinen Zwang gibt, der mich zwingt, diese Frage in dieser oder jener Form zu beantworten. Mit dieser prinzipiellen Unentscheidbarkeit ist ein Raum der Freiheit geöffnet, in dem du jetzt entscheiden kannst. Das heißt, prinzipiell unentscheidbare Fragen können nur wir entscheiden, indem wir sagen: Ich möchte diese Entscheidung wählen, denn ich habe die Freiheit, hier zu wählen, was ich will.“ (Teil der Welt, S. 178)
In der Hoffnung, Sie mit diesem Artikel zielbewusst und absichtlich zu Ihrem Vorteil beeinflusst zu haben, freue ich mich auf konstruktives Feedback.
Quellen:
- Wolfgang J. Linker: Kommunikative Kompetenz
- Gustave Le Bon: Psychologie der Massen
- Robert B. Cialdini: Die Psychologie des Überzeugens
- von Foerster, Bröcker: Teil der Welt: Fraktale einer Ethik
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